Win/Loss Analyse: Praktische Umsetzung im Vertriebsprozess (Teil 2)

Ein einfacher Win/Loss-Report lässt sich in einem Tag umsetzen. 

Die erste Kenngröße, die benötigt wird ist die typische oder durchschnittliche Zeit zwischen “Angebot verschickt” und “Angebot unterschrieben”. Diese Zahl ist wichtig, um entscheiden zu können, ab wann wir ein Angebot, auf das wir keine Antwort erhalten haben, auf “verloren” setzten.

Jeder Kunde hat eigene Anforderungen und eine eigene Beziehung – aber wir abstrahieren, damit unsere Analyse generelle und aussagekräftige Ergebnisse liefern kann. Ansonsten gilt das Diktum des amerikanischen Mathematikers Norbert Wiener: “Das beste Modell einer Katze ist eine Katze, am besten genau dieselbe Katze.” In anderen Worten, will man einen Einzelfall konkret beschreiben, dann nimmt man am besten den Einzelfall. Will man generellere Aussagen treffen, dann braucht eine generellere und abstraktere Beschreibung  der Situation.

Nehmen wir an, unsere Analyse ergibt, dass es nach der Versendung unseres Angebots im Schnitt acht Wochen dauert, bis ein neuer Kunde das Angebot unterschreibt. 

Im nächsten Schritt erstellen wir nun eine Liste aller Angebote, die wir vor neun Wochen verschickt haben. Nach unserer Annahme gelten all diese Angebote als verloren oder “lost”  da Sie bereits unterschrieben worden sein sollten (weil es im Schnitt acht Wochen dauert). Für jedes Angebot erfassen wir zudem das Angebotsvolumen und, sofern bereits eines vorliegt, das Ergebnis unserer Sales-Anstrengungen. Abbildung 4 zeigt eine beispielhafte Aufstellung nach diesem Muster.

Abbildung 1: Beispielhafte Angebotsanalyse - es sind 8 Wochen nach Versand der Angebots vergangen.

Abbildung 1: Beispielhafte Angebotsanalyse - es sind 8 Wochen nach Versand der Angebots vergangen.

Insgesamt haben wir 12 Angebote verschickt und verloren (oder innerhalb von acht Wochen keine Antwort bekommen), mit einem Gesamtvolumen von 206.409 € und einem Durchschnittsvolumen von 17.201€. 

Diese Informationen allerdings die Grundlage unseres zukünftigen Vertriebserfolgs – vorausgesetzt, dass wir sie einer rigorosen Analyse unterziehen.

Wie findet man den “Loss”-Grund heraus?

In den meisten Fällen funktioniert eine Ansprache des Entscheiders per E-Mail oder per Telefon durch  Geschäftsführer, Produktmanager oder Entwicklungsleiter zum Erfolg. 

Der Ansprechende sollte dabei bereits im ersten Kontakt klarzustellen, dass die erneute Kontaktaufnahme einzig der Verbesserung des eigenen Angebots für die Zukunft dient – und nicht ein verschleierter Versuch ist, doch noch einen Abschluss zu erzielen. Eine mögliche Formulierung für den ersten Analyse-Kontakt könnte so aussehen:

Sehr geehrter Herr Mustermann, 

vielen Dank für das Angebot, dass Sie vor einigen Wochen anforderten. Ich nehme an, die Sache hat sich Ihrerseits bereits erledigt – und freue mich, dass Sie eine Lösung gefunden haben! 

Ich leite bei Muster GmbH die Produktentwicklung und würde mich freuen, wenn ich Ihnen ein paar Fragen stellen könnte, wie wir unser Produkt besser machen können. Ihre Perspektive wäre für mich extrem wertvoll, um das Produkt für zukünftige Interessenten zu verbessern. 

Hätten Sie am Donnerstag der kommenden Woche 15 Minuten Zeit für ein Telefonat zu diesem Thema? Alternativ sende ich Ihnen unsere Fragen gern per Mail zu.

In dem folgenden Gespräch oder der Umfrage sollten sowohl systematisch Daten erfasst werden ( vgl. Abbildung 5) als natürlich sehr genau zugehört werden.

Loss-Gründe bei Cloud Produkten

Abbildung 2: Win/Loss bei Cloud Produkten

Insbesondere bei Cloud-Produkten ist es üblich, beim Abbruch eines laufenden Vertrages oder bei der Nicht-Verlängerung eines kostenfreien Angebotes eine automatische Abfrage der Gründe durchzuführen.

Funktional ist das Ergebnis dasselbe wie im oben genannten Beispiel. Ein Beispiel von Codeacademy auf der rechten Seite.


Warum die Qualifizierung (BANT) für Win-/Loss wichtig ist :

Im nächsten Schritt schauen wir uns die Antworten der Auswertung im Detail an. 

Hier leitet uns weiterhin die Frage:“Warum kaufen Interessenten, die unser Produkt verstehen, konkret nach einer Lösung suchen und dafür ein Budget haben, unser Produkt am Ende nicht?“

Selbstverständlich sind dabei auch Interessenten, die aktuell nicht nach einer konkreten Lösung suchen, für uns relevant. Aber diesen Interessenten sollten wir kein Angebot schicken, sondern sie ermutigen, den nächsten Schritt zu tun –etwa durch die Zusendung von Referenzen bestehender Kunden mit einem ähnlichen Profil, die  mit unserem Produkt Umsatz schaffen oder Kosten einsparen. 

Abbildung 6 zeigt eine beispielhafte Auswertung einer solchen Umfrage. Aus den gewonnenen Daten können wir ermitteln, wie viele unserer Angebote wir an potenzielle Kunden versandt haben, die dafür noch nicht bereit waren.  

Abbildung 4: Auswertung einer Umfrage zur Entscheidung gegen unser Produkt

Abbildung 4: Auswertung einer Umfrage zur Entscheidung gegen unser Produkt

Zu diesem Zweck fassen wir die Ergebnisse “Keine Antwort”, “Noch keine Entscheidung”, “Nur Research / Kein Budget” zusammen und halten fest, dass bei diesen Antworten im Verkaufs- und/oder Analyse-Prozess etwas nicht richtig gelaufen ist. 

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Damit bleiben nur die Antworten “Projekt abgesagt” und “Wettbewerbsprodukt 1 gekauft” als “Loss”Gründe– in unserem Beispiel wissen wir nun, dass wir nur zwei Aufträge an einen Wettbewerber im klassischen Sinne verloren haben!

Was machen wir mit den Antworten?

“Keine Antwort”: Solange der Tonfall stimmt, ist es völlig in Ordnung, mehrfach nachzufragen und versuchen den Kunden zu erreichen. Schließlich geht es Ihnen wirklich darum, das Produkt für den Kunden zu verbessern. 

“Noch keine Entscheidung”: Diese Antwort ist sehr häufig. Meistens ist es dem Antwortenden schlicht unangenehm zuzugeben, dass es nicht zu einem Kauf kommen wird oder die initiale Anfrage nur zur Recherche gestellt wurde. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Vertriebsteam im vorangegangenen Verkaufsprozess eine so gute Beziehung zum Interessenten aufgebaut hat, dass Letzterer sie nicht durch eine endgültige Absage verwässern möchte. Diese Antwort ist denn nur dann hilfreich, wenn der Entscheider in der Nachfrage ein klares Datum für den Zeitpunkt der Entscheidung nennt. In diesem Fall müssen wir gegebenenfalls auch unsere Annahme von einem Vertriebszyklus von acht Wochen überprüfen. Wenn es kein Datum gibt, nehmen wir an, dass der Interessent dem Verlustgrund “Nur Recherche” zugerechnet werden kann.

Eine tiefere Analyse folgt im Dritten Teil dieser Serie zu Win-Loss Untersuchungen. Bis dahin können wir auch die Präsentation empfehlen: https://www.slideshare.net/OliverNachtrab/ungenutztes-marktfeedback-win-loss-analyse-20160609.