Was ist ein Earn Out?

Ob LoI (Letter of Intent / Absichtserklärung) oder SPA (Share Purchase Agreement = Kaufvertrag): Ddie Liste von englischen Begriffen, die im Bereich Unternehmenskauf und -verkauf genutzt werden ist lang. Dabei gibt es eigentlich keinen Grund dafür, dass das Vokabular auf Englisch genutzt wird, außer dass viele der beteiligten Anwälte und Berater gelegentlich auch länderübergreifende Transaktionen begleiten, bei denen offensichtlich Englisch die Verhandlungssprache ist.

Auch ein Begriff wie “Earn Out”, der oftmals zentral für die finale Kaufpreisberechnung ist, ist dabei nicht zwangsläufig selbsterklärend. Grob übersetzt handelt es sich um eine  “erfolgsabhängige Zahlung”. Aufgrund der zentralen Bedeutung, wollen wir diesen Mechanismus etwas näher beleuchten. Welche Ausgestaltungsmöglichkeiten vom “Earn Out” gibt es und was gilt es aus Verkäuferperspektive zu beachten?

Die erfolgsabhängige Zahlung

Eine erfolgsabhängige Zahlung (Earn Out) kommt in unterschiedlichen Szenarien ins Spiel, insbesondere als “Überbrückungselement” zwischen Kaufpreisvorstellungen oder auch als risikomitigierendes Element aus operativer Perspektive. 

Szenario 1: Unterschiedliche Kaufpreisvorstellungen

Während Käufer und Verkäufer auf strategischer Ebene zueinander gefunden haben, kann es - offensichtlich - Differenzen bzgl. eines passendes Kaufpreises geben. Diese unterschiedlichen Wertvorstellungen können sich mit einem “Earn Out” zusammenführen lassen. Der Käufer ist dann bereit - sofern bestimmte Ziele in der Zukunft erreicht werden - einen zusätzlichen Kaufpreisanteil zu zahlen. Zusätzlich zum Basiskaufpreis kann der Verkäufer also seinen Erlös durch einen positive, von ihm beeinflussbare operative Entwicklung des Unternehmen nochmal deutlich steigern.

Gestaltung: Der Verkäufer verkauft 100% der Gesellschaftsanteile für einen Basiskaufpreis, hat jedoch Anspruch auf weitere nachgelagerte Kaufpreiszahlungen, wenn Ziele erreicht wurden.

Szenario 2: Operative Bindung des Verkäufers ans Unternehmen

Eine andere Motivlage, die oftmals dazu führt, dass ein Earn Out mit ins das Transaktionskonzept integriert wird, ist, das der Käufer den bis dato auch operativ als Geschäftsführer tätigen Verkäufer (Gesellschafter) an das Unternehmen binden möchte, weil noch kein geeigneter Nachfolger rekrutiert wurde. Um den Verkäufer in seiner operativen Rolle motiviert zu halten, wird ein Earn Out angeboten, der entsprechend Kaufpreiserhöhend wird.

Gestaltung: Die Gestaltung kann sich analog wie in Szenario 1 verhalten. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, dass der Verkäufer nur einen Mehrheitsanteil (bspw. 80% der Gesellschaftsanteile) übernimmt, und dem Verkäufer eine Verkaufsoption auf seine verbliebenen Anteile in einigen Jahren anbietet. Je nach Bezugsgröße für die Bewertung des Unternehmens, kann der Wert der 20% dann also höher sein als zuvor. Diese Variante wird auch in vielen Fällen von Private Equity Fonds gewählt, da die Ambition ist, das Unternehmen nach einigen Jahren weiterzuverkaufen. In diesem Fall wird auch der Minderheitsanteil des Altgesellschafters weiterverkauft.

Was gilt es beim Earn Out zu beachten?
Earn Out ohne Minderheitsbeteiligung

Bei einem Earn Out ohne weitere Minderheitsbeteiligung ist es zunächst einmal wichtig, dass die Ziele, an denen die weiteren Zahlungen hängen klar definiert sind. Dies klingt einfacher als gedacht. Denn wenn keine Gesellschafterrechte mehr vorhanden sind, kann der neue Gesellschafter - zumindest theoretisch - die Geschäftsführung auch anweisen, konkret gegen die Erreichung des Earn Outs zu arbeiten. Ziele, die sich auf Kenngrößen wie Profitabilität (EBIT, EBITDA, Jahresüberschuss etc.) beziehen, sind oftmals kritisch, weil der neue Gesellschafter bspw. Kosten auf die Gesellschaft umlegen kann. Oder durch eine neue Gestaltungsmöglichkeit, Zinsen aus der Finanzierung der Transaktion direkt ansetzen kann. Dies sind Maßnahmen, die außer der Hoheit des Verkäufers stehen. Entsprechend sind Kenngrößen, die unabhängig von den Kostenseite sind, zu bevorzugen. Grundsätzlich kann jedes Ziel als Bedingung für die nachgelagerte Zahlung definiert werden. “Drei neu gewonnene Kunden in Italien im Geschäftsjahr” bietet sich ebenso an wie “Reduktion der Kundenabgangsquote auf 2%” oder “Steigerung des Umsatzes mit SaaS-Produkten auf mindestens zwei Millionen Euro im Geschäftsjahr”. 

Der Verkäufer sollte sich hierbei stets die Frage stellen:

  • Sind die Ziele ausreichend genau definiert?

  • Ist allen Beteiligten klar, wie die Kenngröße gemessen wird?

  • Ist die Kenngröße unabhängig vom potentiellen Einwirken des neuen Gesellschafters und kann somit nicht ungeplant negativ beeinflusst werden?

  • Ist die Kenngröße für die grundsätzliche Unternehmensentwicklung sinnvoll?

Earn Out mit Minderheitsbeteiligung

Wenn sich der Earn Out eher dadurch ausdrückt, dass der Verkäufer noch mit einem geringen Anteil am Unternehmen beteiligt bleibt (bspw. 20%), dann wirkt für ihn der beim zukünftigen Verkauf dieser 20% erzielbare Gewinn quasi wie ein Earn Out.

Dabei kann der Verkäufer eine “Option” haben, seine 20% an den neuen Hauptgesellschafter zu verkaufen. Die Unternehmensbewertung wird sich in diesem Fall auch wieder an einer gewissen Kenngröße orientieren. Hierbei ist es aus Verkäufersicht entsprechend wichtig zu schauen, dass diese Kenngröße auch stets den Wert den Unternehmens widerspiegelt. Wenn sich die Berechnung nur auf das EBIT bezieht, wäre bspw. ein Szenario in dem das Unternehmen in zusätzliche Mitarbeiter investiert (und somit Kosten erzeugt), kurzfristig wertmindernd. Es gilt hier also Vorsicht zu behalten.

Gleiches gilt, wenn die zusätzliche (und dann potentiell höhere) Kaufpreiszahlung erst dann ausgelöst wird, wenn das gesamte Unternehmen an eine weitere Partei verkauft wird (typisches Vorgehen von Private Equity Investoren). Hier kann zwar grundsätzlich unterstellt werden, dass Private Equity Investoren das unzweifelhafte Interesse haben, das Unternehmen zu einem maximalen Wert weiterzuverkaufen. Gleichzeitig ist man als Minderheitsgesellschafter natürlich faktisch ausgeliefert, im Hinblick auf die Pläne des Mehrheitsgesellschafters.

Es empfiehlt sich in diesen Fällen auf jeden Fall zu überprüfen, wie genau die Gesellschaftervereinbarung geregelt ist. Je nach dem wie sensitiv, sollte man sich als zukünftiger Minderheitsgesellschafter bestimmte Mitspracherechte hier verbriefen lassen. Gleichzeitig sollte man - zum eigenen Schutz - auch einen Mindestpreis für die verbleibenden Anteile etablieren. Der neue Hauptgesellschafter wird sich stets eine “Mitverkaufpficht” in die Gesellschaftervereinbarung schreiben lassen, sodass - im extremen Szenario - der Minderheitsgesellschafter auch gezwungen werden könnte, zu einem geringen Preis weiterzuverkaufen. Hier ist also eine ausbalancierte Gesellschaftervereinbarung entscheidend.

Was ist das häufigste Problem?

Bei Earn Out Konstellationen ist in den meisten Fällen das Problem, dass der bisherige Hauptgesellschafter weiterhin operativ als Geschäftsführer tätig ist, aber entweder keine oder nur noch eine geringe Beteiligung an der Gesellschaft hält. Der Wechsel von “die finanziellen Früchte meiner Arbeit stehen komplett mir zu” zu “Ich erhalte als angestellter Geschäftsführer einen Lohn und ein Großteil der Gewinne geht an den Hauptgesellschaft” ist schwierig zu vollziehen. Die Wertsteigerung via Earn Out wird stets im Vergleich gesehen, zu den potentiellen Gewinnen die man in der Earn Out Periode auch hätte erwirtschaften können. Aus Verkäufersicht ist es somit essentiell, sich im Klaren zu sein, was die Earn Out Struktur nicht nur im in finanzieller Sicht, sondern auch aus operativer Perspektive bedeutet. Sonst sind Konflikte vorprogrammiert.